Der Heilige ist nicht davon heilig, dass er immer alles richtig macht

23 November 2020
„Das Evangelium darf man nicht vereinfachen und damit auf die jungen Menschen herabsehen. Auch heute gibt es Bedarf für radikales Engagement” sagte Tamás Lóczi, Pfarrer aus Sátoraljaújhely.

- Das zusätzliche Jahr bis zum Internationalen Eucharistischen Kongress ist nicht nur für die Organisatoren, sondern auch für die Teilnehmer ein Geschenk. Wie kann man die Eucharistie im Schulkontext den ganz kleinen Kindern vorstellen?

- Als ich gehört habe, dass das Welttreffen von Budapest um ein Jahr verschoben wurde, dachte ich sofort daran, dass dies eine einzigartige Möglichkeit für uns ist, noch besser vorbereitet zu diesem großen Ereignis zu kommen. Als Schulseelsorger habe ich versucht, das nicht allzu einfache Thema der Eucharistie an das Milieu der örtlichen katholischen Mittelschule, Grundschule und des Kindergartens anzupassen. Mit den Kleinen wollten wir dem Ausgangsmaterial der Eucharistie, dem Brot, näherkommen. Viele heutige Kinder begegnen Brot nur auf den Regalen der Supermärkte, darum habe ich mich entschlossen, dass wir sie, vom Weizenkorn ausgehend, all das erfahren lassen.

- Leiten Sie die Kinder vom Korn bis zum gedeckten Tisch?

- In einer renovierten, funktionierenden Wassermühle konnten die Schüler beobachten, wie aus dem Weizen Mehl wird. Danach haben sie selbst daraus einen Teig geknetet, ihn gehen lassen und dann kleine Laibe daraus gebacken. Sie haben gesehen, wie viel Arbeit die Natur und der Mensch ins Brot legt. Jesus hat zum Mittel seiner Präsenz bewusst einen Grundstoff gewählt, in dem auch viel menschliche Arbeit steckt, damit er auch damit ausdrückt, dass er den Menschen zur Partnerschaft in der Zusammenarbeit einlädt. Danach fügt Jesus diesem Brot etwas hinzu, als er es zu seinem eigenen Leib macht, wozu wir Menschen niemals fähig wären. Ohne ihn schaffen wir also nichts.

Zusammenarbeit von Menschen und Gott

- In dieser Gegend ist eine unserer beliebtesten Heiligen, Elisabeth von Thüringen,
geboren, in deren Leben die Unterstützung der Schwachen, Bedürftigen, Kranken und
die Verteilung von Brot eine bestimmende Rolle spielten.


- Tatsächlich ist Elisabeth in dieser Gegend geboren. So hat das Brot vielleicht noch mehr zu sagen als woanders, so hat auch der Gedanke der dienenden Liebe und der Caritas im Ereignis des Brotbackens Platz bekommen. Es war erhebend, dabeizusein, als Klein und Groß zusammen die Rose des Eucharistischen Kongresses eingesetzt haben. Die Brote der Grundschüler begegneten hier den Vorsätzen der Mittelschüler. Am Beispiel der Heiligen Elisabeth – die oft mit Rosen in der Schürze dargestellt wird – haben wir dann gesehen, wozu der mit Gott zusammenwirkende Mensch in dieser Welt fähig ist.

- In welchem Ansatz begegnen die Teenager der Eucharistie?

- Mit den Mittelschülern, die schon über eine Empfindlichkeit für übertragene Gedanken verfügen, haben wir die Opfer-Natur der Eucharistie besprochen und die umwandelnde Wirkung, durch die jemand, der regelmäßig kommuniziert, früher oder später auch selbst zu einem wird, der für andere gebrochen wird und dessen Leben an andere verteilt wird. Das Lebensbeispiel von Carlo Acutis, des vor kurzem seliggesprochenen italienischen zeitgenössischen Jugendlichen, hat uns bei der Verarbeitung dessen geholfen. Nachdem die Schüler den Film über Carlo angeschaut hatten, haben sie jeweils eine für sie wesentliche Episode aus Carlos Leben hervorgehoben und erzählt, wie sie selbst unter ihren eigenen Altersgenossen ein Zeugnis von Christus ablegen könnten. Methodologisch haben sich die beiden Ansätze unterschieden, weil die Kleineren eine handfeste Erfahrung brauchen, um eine Botschaft zu verinnerlichen. Und diejenigen, die vor dem Abitur stehen, stellen wir bewusst vor Situationen, in denen sie sich selbst reflektieren müssen. Wir laden sie zu einer bewussten Lebensführung und einem mutigen Glaubenszeugnis ein – dazu, dass sie nicht nur „mit dem Strom treiben“, sondern im Anziehungsfeld von Werten für andere kämpfen und arbeiten. Groß und Klein haben gemeinsam einen Schritt in die Richtung des Geheimnisses und zur Auffassung und zum Verständnis davon gemacht, was für sie die Eucharistie bedeutet.


Als Priester ein „normaler“ Mensch zu sein, zahlt sich aus

- Sie befassen sich schon seit längerer Zeit mit der Seelsorge von Jugendlichen. Was ist hierbei die größte Herausforderung?

- Heute werden Jugendliche von Informationen und Möglichkeiten überflutet. Über ihre digitalen Geräte ist die Welt in ihr Zimmer eingezogen. Es besteht die Gefahr, dass auch der Glaube und die Religion zu einer der „Dienstleistungen“ werden. Heute ist es schon schwer, Jugendliche zu beeindrucken, weil sie immer etwas finden werden, was noch extremer ist.
Wenn wir sie zu einem Programm einladen, lassen sie ihre Teilnahme lange in der Luft schweben, weil sie selbst noch nicht wissen, welche der angebotenen Alternativen sie in letzter Minute wählen werden. Aber selbst in diesem Kontext können wir Erfolge erreichen. Auch sie werden nämlich der wertlosen Dinge müde und vergeuden ihre Zeit nicht für sie.

- Das heißt, man muss Interessantes, Sinnvolles und Aufregendes als Programm anbieten?

- Wenn wir sie hier zum Nachdenken bringen können, kann schon etwas beginnen. In Miskolc, nach den „Frag den Priester!“-Abenden, haben mich zum Beispiel mehrere aufgesucht für ein seelisches Gespräch, was zweifellos nicht zustande gekommen wäre, wenn wir, Pater, Geistliche, uns nicht mit ihnen hingesetzt hätten, um uns in einer Kneipe mit ihnen zu unterhalten. Ich habe oft beobachtet, dass es sich auszahlt, als Priester ein „natürlicher und normaler“ Mensch zu sein. Es weckt immer die Aufmerksamkeit und kann Katalysator zahlreicher ernsthafter Gespräche sein.

- Wie kann man das Interesse längerfristig in einem solchen Informationslärm aufrechterhalten?

- Das ist ebenso eine ernsthafte Herausforderung wie die, einen Jugendlichen in eine langfristige Arbeit einzubinden. Dass im geistigen Leben nicht von einem Tag auf den anderen Ergebnisse erzielt werden. Wir müssen sie spüren lassen, dass eine viel größere Freude darin besteht, wenn man eine Sünde bekämpft, eine schlechte Gewohnheit verändert, eine unnötige Abhängigkeit herabsetzt oder einen seine Freiheit und Würde beraubenden, falschen Gott hinter sich lässt, als die, die diese jemals geboten haben. Christus allein, dessen Dienst nicht demütigend, sondern erhebend ist, kann ihre Sehnsüchte erfüllen. An dessen Seite sie tatsächlich Individuen bleiben können.

- Wir hören oft, dass junge Menschen Vorbilder brauchen. Oft wird ihnen das Leben der
Heiligen als Vorbild vorgesetzt. Welches Verhältnis haben Teenager und im Allgemeinen
Gläubige zu Heiligen?

- Vielleicht hat auch die Kirche einen gewissen Fehler gemacht, als sie den Gläubigen das Bild der Heiligen und ihre Lebensgeschichte so vorstellte, dass sie alle unvollkommenen Details, die einen in Verlegenheit bringen könnten, ausgelassen und den Lesern so eine Persönlichkeit präsentieren hat, die immer wusste, was sie zu tun hat und sofort den Willen Gottes verstanden hat.

In der Realität ist Lebensheiligkeit jedoch nicht eine statische, von Anfang an gegebene Gabe, sondern eine sich langsam entfaltende Tugend, in der es ernsthafte Kämpfe und manchmal auch Sackgassen gibt. Der Heilige wird nicht davon Heiliger, dass er immer alles richtig macht, sondern weil er niemals auf den Weg der Vervollkommnung verzichtet. Jeden Tag will er mehr und besser sein als am Tag zuvor. Sein Leben setzt sich nicht ab. Und er weiß – weil er seinen eigenen Schwächen begegnet –, dass er all das aus eigener Kraft nicht schaffen kann. Er lädt also Gott zu all dem ein. Er lässt ihn in sein Leben ein und übergibt ihm sogar bewusst die Steuerung. Und vergessen wir nicht: Heiliger zu sein auf dieser Erde, bedeutet niemals die Ankunft im Ziel – als ob es ein Paradies auf Erden gäbe –, vielmehr ist es ein Unterwegs-Sein in die Richtung und unter der Anziehungskraft davon, wo sich dann später das Ziel befinden wird.

Wenn wir Lebensheiligkeit und die Heiligen so vor die Jugend von heute stellen, findet sie an zahlreichen Stellen einen Verknüpfungspunkt zu ihren inneren und äußeren Kämpfen und Unsicherheiten. Hilfe nimmt jeder gerne und mit Freude an. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen den Herrgott als einen solchen Partner ansehen, der ihr Leben unterstützt, darin den Weg weist und in ihren Kämpfen Kraft gibt, der sie auch in ihrer persönlichen Entfaltung unterstützt. Er will ihnen nichts nehmen (nur was sie tatsächlich gar nicht brauchen) und will ihnen alles geben.


Wir müssen uns zusammenreißen!

- Was für Erwartungen formulieren die Jugendlichen, was erwarten sie von der Kirche? Gab es zwischen den Beteiligten ein Gespräch zu diesem Thema?

- Wir sehen, dass es heute auf allen Ebenen – vom Religionsunterricht bis zu den Beratungen des Heiligen Vaters – einen ernsthaften Dialog mit den jungen Menschen gibt. Wir möchten ihre Denkweise besser verstehen – die Wirkungen, die sie erreichen –, damit wir dann die Botschaft, die dieselbe ist wie vor zweitausend Jahren, nicht mit den Worten und Methoden des vergangenen Jahrhunderts auf sie zwängen, sondern sie über ihre eigenen Kanäle und in ihrer eigenen Sprache vermitteln. Wichtig ist dabei der Fakt, dass das Evangelium nicht vereinfacht werden darf, denn damit würden wir auf die Jugendlichen herabblicken. Auch heute besteht der Bedarf nach radikalem Engagement. Wenn wir ihnen das nicht anbieten – aus Angst, dass es für sie beängstigend ist –, werden das andere an unserer Stelle tun. Damit die Botschaft aber bei ihnen ankommt, dürfen wir nicht über ihre Köpfe hinwegreden. Wir müssen ihren Kontext kennen, in dem sie leben und kommunizieren, damit wir es mit dem Evangelium von Jesus erleuchten können. Der Paulus, der damals Briefe geschrieben hat, würde heute höchstwahrscheinlich auch über das Internet kommunizieren.

- Wie kann man den Ton, die Methode finden, durch die die Jugendlichen fühlen, dass sie nicht Gegenstand der Evangelisierung sind, sondern die Subjekte davon, und dass ihr Priesterlehrer durch den Glauben und die Religion eine Partnerschaft auf dem Weg anbietet?

- Ich empfinde es als eine große Gnade, dass der Herr mich zuerst in die Richtung der Lehrerkarriere gelenkt und mir erlaubt hat, Chemie- und Religionslehrer zu werden. Ich unterrichte seit 16 Jahren, und zehn Jahre davon habe ich im Alltag einer katholischen Schule die Herausforderungen der Jugendlichen gesehen. Als Direktor und jetzt auch als Lehrer bekomme ich das Bild im Gespräch mit den Schülern, dass die Jugendlichen einen äußerst großen Bedarf haben, angehört zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie schätzen denjenigen, der sie als Partner behandelt und sie zur Zusammenarbeit einlädt. Sie schauen hoch auf einen Erzieher, der unterwegs ist und auch sich als Schaf einer größeren Herde betrachtet. Es ist wichtig, dass sie sehen: Auch ich falle nieder vor jemandem, der größer ist, auch ich benötige Hilfe von einer höheren Macht. Dieses System von Relationen kann viele
Schlösser in den Herzen und Seelen von Jugendlichen öffnen. So können wir wirksamere Helfer für sie sein, und dabei lernen auch wir selbst viel von ihnen.

- Nächsten September kann Budapest Gastgeber des Welttreffens von Katholiken sein. Was für eine Bedeutung, Botschaft hat ein solches Ereignis im 21. Jahrhundert?

- Für mich hatten Welttreffen immer eine große Bedeutung. Ich habe an drei internationalen Welttagen teilgenommen (Rom, Madrid, Krakau), und ich bin fast immer in Nagymaros und Egerszalók dabei. Ich möchte mich besonders für die zwei Forráspont/Quellenpunkt-Treffen bedanken, die das Organisationsteam des IEK veranstaltet hat, die nicht nur den Jugendlichen unter meiner Begleitung, sondern auch mir selbst ein Erlebnis fürs Leben gegeben haben. Bei einem solchen Treffen sehen wir uns bestätigt, wie viele ähnlich denkende Menschen es um uns herum gibt. Weil wir vielleicht stiller sind als andere, haben wir oft das Gefühl, dass Christus heute wenige Menschen beeindruckt, aber bei einem solchen Anlass können wir erkennen, was für einen großen Bedarf es an christlichen Werten gibt. Aber auch wir müssen uns natürlich dafür zusammenreißen. In der lokalen Gemeinschaft bieten sich viele
Möglichkeiten dazu. Auch unsere Gemeinde bereitet sich aktiv darauf vor. Theologische Vorträge, Projektionen, die Erinnerung an den Kongress von 1938, das Messe-Vlog, die Schule der eucharistischen Anbetung – um nur einige Dinge zu nennen. Wir haben einen Countdown zum Ereignis eingerichtet, wir bereiten uns auf einen Flashmob auf den Straßen, 100 Tage vor dem Ereignis, vor. Die Arbeitsgruppen des Pfarrgemeinderats (Liturgie, Familie, Caritas, Medien) bereiten auch ihren eigenen Plan vor. Wir möchten die abgesagten „Nächte der Kirchen“ und „Ars sacra“-Tage nachholen und so viele Chancen wie möglich ergreifen, der Außenwelt einen Einblick in das Leben unserer Pfarrei zu gewähren. Es war verblüffend zu erfahren, wie viele sich auf meine Idee gemeldet haben, dass auch sie sich gerne darauf vorbereiten würden, den Besuchern einen Ort, ein Tool zu präsentieren. Während wir andere bedienen, hoffe ich, dass wir auch uns selbst besser bewusst werden, was es bedeutet, dass wir aus der Eucharistie lebende Katholiken sind.


Foto: Marcsi Ambrus
Quelle: IEK