Ein Erzbischof von der Mitte der Welt

22 November 2020
Er singt, politisiert und dient. Charles Palmer-Buckle, der Erzbischof von Cape Coast in Ghana, kritisiert, wenn es sein muss, auch die einflussreichsten Organisationen der Welt im Interesse des Schutzes der Familien und der christlichen Werte.

Über Charles Palmer-Buckle fallen denjenigen, die ihn kennen, ganz bestimmt zwei Dinge sofort ein: Ehrlichkeit und Humor. Neben seinem kirchlichen Dienst übernimmt er auch im öffentlichen Leben von Ghana offen eine Rolle. Über seine Rollenübernahme spricht er so: „Wenn die Politik ein Weg ist, den Menschen zu helfen, ihre Träume zu verwirklichen, die Gesellschaft neu zu gestalten, der Menschheit Wohlfahrt zu sichern, dann wird die Kirche unbedingt politisieren.“ Während seines Besuchs in Ungarn gab er Magyar Kurír ein Interview. Im Gespräch war die politisierende Kirche auch ein Thema, und der Erzbischof formulierte wie folgt: „Man muss in den Räumen des gesellschaftlichen, politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, finanziellen Lebens präsent sein, wo die Globalisierung stattfindet. Wir müssen dort sein, Mut haben, wir dürfen nicht draußen bleiben, wir müssen das Salz des Evangeliums in die öffentliche Bildung bringen und überall hin, wo Entscheidungen moralischer Art getroffen werden. Das Christentum muss im Mittelpunkt des Lebens stehen.“

Entschuldigung, Aussöhnung

Palmer-Buckle ist ein Kind anglikanischer Eltern, aber sein Vater katholisierte noch vor seiner Geburt. Er wuchs in einer großen Familie mit elf Geschwistern auf, mit acht bereitete er sich schon auf das Priestertum vor. Als Kind ministrierte er in der Basilika, in der er jetzt seinen Sitz als Erzbischof hat. Seine Kleinseminarstudien begann er mit lediglich 13 Jahren, dann schickte ihn sein Bischof zum Lernen nach Rom, wo er Philosophie und Theologie studierte. Er wurde mit 26 Jahren zum Priester geweiht, 1993 zum ersten Bischof von Koforidua bestellt, und seit 2019 ist er Erzbischof von Cape Coast.

Zwischen 2002 und 2004 war er Mitglied des neunköpfigen Nationalen Komitees für die Aussöhnung (NRC, National Reconciliation Commission). Im Namen der Afrikaner hat er sich für die Rolle der afrikanischen Staatsbürger im Sklavenhandel entschuldigt. Er bemerkte, dass seines Erachtens eine solche Entschuldigung zum Prozess der Aussöhnung und Heilung notwendig sei. Seine Entschuldigung nahm Bischof John Richard aus Florida im Namen der afroamerikanischen Katholiken an. Die Mitte der Welt, so nannte Charles G. Palmer-Buckle, der Erzbischof von Accra, seine Heimat am Äquator. Ghana, ein Land mit 30 Millionen Einwohnern, dessen Gebiet das Dreifache Ungarns umfasst, war bis 1957 britische Kolonie, die katholische Kirche ist seit 1880 im Land präsent. In fast jeder der zwanzig Diözesen funktionieren Kleinseminare, in denen die Schüler ab ihrem 14. Lebensjahr lernen. In der Hauptdiözese von Accra gibt es acht Männer- und zweiundzwanzig Frauenorden. Erzbischof Palmer-Buckle weiht zehn diözesane und acht Ordenspriester während des Sommers. In Ghana ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat gut, Letzterer übernimmt eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung und im Betrieb der Institutionen – Universitäten, Krankenhäuser, Altersheime und Schulen.

„Wer die Jungfrau Maria nicht liebt, kann kein guter Priester sein“

Charles Palmer-Buckle, der Erzbischof von Accra, kam 2018 auf Einladung von Kardinal Péter Erdő nach Ungarn. Der afrikanische Oberhirte war bei Erzbischof Csaba Ternyák in Eger/Erlau zu Gast, mit dem zusammen ihn der Heilige Johannes Paul II. vor fast drei Jahrzehnten zum Bischof geweiht hatte. Der afrikanische Oberhirte hielt eine Vorlesung für Seminaristen im Seminar von Eger, wo er unter anderem auch darüber redete, dass sie besorgt auf die Situation des europäischen Christentums blickten. Sie hätten den Eindruck, dass sich die Kirche aus dem öffentlichen Leben ins Privatleben zurückzieht. In ihrer Jugend schauten sie hoch zu Europa als einen christlichen Kontinent, aber das scheint jetzt zu schwinden. Der Erzbischof hat mit den Priesteramtskandidaten auch eine der spirituellen Krisen aus seiner Jugend geteilt. 1974 studierte er in Rom, er trug zivile Kleidung, als ihn ein Seher ansprach: „Ein Seminarist, der die Jungfrau Maria nicht liebt, kann kein guter Priester sein.“
Er dachte tief über das Gehörte nach, denn derjenige, der ihn angesprochen hat, konnte nicht wissen, auf welchen Beruf er sich vorbereitete. Als er auf dem Weg nach Hause im Bus saß, betete eine Frau den Rosenkranz. Die Frau blickte ihn an und wiederholte, was der Seher davor gesagt hatte. Charles Palmer-Buckle schloss ein Bündnis mit der Heiligen Jungfrau und betet täglich den Rosenkranz.
Der Erzbischof sprach in seinen Interviews mehrmals davon, dass er an die Menschheit glaubt. „Sie ist zu viel mehr fähig als das, was sie bis jetzt erreicht hat. […] Die Menschheit ist wie die Klaviatur eines Klaviers. Man kann nicht ausschließlich auf den weißen oder schwarzen Tasten spielen. Beide zusammen ergeben eine perfekte und wunderbare Harmonie.“ Palmer-Buckle betont, dass das friedliche Zusammenleben nur gemeinsam möglich ist.

Hilfe mit inakzeptablen Bedingungen

Der Oberhirte von Ghana spricht sich entschlossen gegen Bemühungen zur Förderung von Abtreibung und die Eheschließung von homosexuellen Paaren in Afrika aus. Er findet, die westlichen Gesellschaften versuchen mit einer eigenartigen Kampagne, einer sog. „globalen Ethik“, die traditionellen Werte zu untergraben. Der Erzbischof von Accra sagte in seinem Interview mit dem vatikanischen Experten John Allen, dass diese Propaganda aus dem Westen sogar die Unterstützung von UN, IMF und der Europäischen Union genießt. Er verlieh seiner Besorgnis Ausdruck, dass man heutzutage von Regierungen aus Ländern mit christlichen Wurzeln solche Dinge hört, die in scharfem Kontrast zu dem stehen, was ihnen ihre Missionare verkündet haben. Europa gibt Afrika nur unter Bedingungen Hilfe und verlangt im Austausch die Annahme von antichristlichen Grundsätzen: Sie wollen zum Beispiel die Abtreibung als Grundrecht definieren, die Schwangerschaft erachten sie als eine Krankheit, die beendet werden kann. „Sie wollen nicht nur das Parlament beeinflussen, sondern auch die jungen Menschen. Ich kenne NGOs, die Kondome, sogar Gleitmittel für Jungen, die homosexuelle Beziehungen suchen, bereitstellen. Ich weiß es. Sie verteilen sie umsonst. Ich kenne solche Menschen, die für NGOs arbeiten, die mit den Jungen abhängen, um sie dann in homosexuellen Kreisen vorzustellen.“ […] „Was passiert, ist im Widerspruch zu unserer Kultur, und niemand wird mich davon überzeugen, dass dies nicht beabsichtigt ist.“ Nach dem Erzbischof sind die Jungen Fahnenträger der Zukunft Afrikas, die keine feste Werteordnung haben und am skeptischsten sind, diesen Organisationen am meisten ausgeliefert.
Mit all dem zusammen kann die Kirche in Afrika immer mehr Menschen ansprechen, und im Kreis der Jugendlichen ist die katholische Religion attraktiv. Aus den afrikanischen Liturgien strahlt die Freude, die Zeremonien verlaufen im Zeichen der Lieder, des Tanzes und der außerordentlichen Freude. In Ghana dauert eine Sonntagsmesse mindestens zwei Stunden, die Priesterweihe ist eine Zeremonie von sechs Stunden.

Reggae in der Evangelisierung

Palmer-Buckle verwendet auch die Musikgattung Reggae, um seine Botschaft zu vermitteln. Der Erzbischof hat eine große Verehrung für Bob Marley. Ein Lied des Königs des Reggae, Redemption Song (Erlösungslied), hat der hohe kirchliche Amtsträger schon an mehreren Orten vorgetragen. Zu Ostern 2017, am Ende des Interviews mit Kafui Dey auf GHOne TV, haben sie das Lied gemeinsam gesungen.
(Hier kannst du dir die Produktion anschauen.) Im selben Jahr hat er das Lied bei einer Golfmeisterschaft in Accra im Trainingsanzug und weißer Baseballkappe, mit dem Mikrofon in einer Hand, die andere in den Himmel hebend, unter Applaus und Freuderufen vorgetragen. Beim Thema der kulturellen und mentalen Sklaverei bezieht er sich oft auf das Lied, insbesondere auf einen Vers darin. „Emancipate yourselves from mental slavery None but ourselves can free our minds!“ „Befreit euch von der Gedankensklaverei, die Freiheit hängt von uns ab!“

Man braucht Selbstschätzung und Würde

Der Erzbischof sprach sich auch für die Reduzierung der starken Abwanderung aus. Er fand, dass Ghana zu lange unter britischer Hoheit stand und es nicht richtig sei, dass die Afrikaner „woanders“, auf einem anderen Kontinent, das Glück suchen. Seiner Meinung nach sollte sich Afrika vor allem auf sich selbst stützen und an erster Stelle seine eigenen, inneren Werte entdecken. Der Kontinent muss alles dafür tun, damit sich die jungen Menschen zu Hause wohlfühlen, außerdem müssen sie vor Ort geschult und ausgebildet werden, damit sie zur Entwicklung ihrer Länder beitragen können. „Unser Volk braucht Selbstschätzung und Würde, damit wir wissen, dass auch wir zu etwas beitragen können. Wir müssen uns nicht nur in unserer eigenen Haut wohlfühlen, sondern auch dort, woher wir stammen, und das müssen wir als ein Schatz erleben.“

Quellen: youtube, modernghana.com , magyarkurir.hu , ncronline.org , commonwealmagazine.org
Foto: Magyar Kurír, IEK