Viele haben wir Ungarn vor dem Hungertod bewahrt

12 November 2020
Die Pandemie hat in Nigeria eine humanitäre Katastrophenlage verursacht. Die Zeitschrift Magyar Kurír hat ihre Leser darum gebeten, die Hungernden am Martinstag mit Gebeten und Spenden zu unterstützen.

Was war das Ziel der zum Martinstag angekündigten Initiative?

In den letzten Jahren haben wir oft über die medizinische Mission von Dr. András Csókay und Dr. Réka Fodor im nigerianischen Onitsha berichtet. Im Angesicht der Umstände, unter welchen sie arbeiten, war ganz klar, dass wir uns an ihre Seite stellen wollten, ihre Tätigkeit und die dortigen Einwohner präsentieren würden. In der heiligen Messe bekennen wir, dass wir an die katholische Kirche glauben, die „universal“ ist, d.h. so, wie Paulus sie beschreibt, „ein einheitlicher Körper, dem jeder einzelne Körperteil angehört.“

Wenn also Menschen irgendwo entbehren, müssen wir unsere Aufmerksamkeit dorthin richten.

Als im Frühling die Pandemie ausgebrochen ist, kam es zu einer humanitären Katastrophenlage in Nigeria. In dieser Region ist das Elend unvorstellbar: Das tägliche Einkommen der Menschen erreicht nicht mal einen Dollar, es gibt keinen Strom, kein Wasser… Als die Pandemie ausgebrochen ist und die Menschen in Quarantäne mussten, hatten sie weder Geld noch die Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen. Sowohl im Frühling als auch im Herbst haben wir unsere Leser gebeten, die Nigerianer mit ihren Spenden zu unterstützen.

Von dem Geld hat die Stiftung Reis gekauft und es über die lokale Erzdiözese den Bedürftigen zukommen lassen. Im September hat der Erzbischof von Onitsha, Valerian Okeke, einen Brief an Kardinal Péter Erdő geschrieben, in dem er formulierte, dass wir Ungarn viele vor dem Hungertod bewahrt haben. Die Pandemie ist leider noch nicht vorüber, darum dachten wir, dass auch wir, dem Heiligen Martin ähnlich, der als Heide die Hälfte seines Mantels einem Bettler gegeben hat, mit Spenden und Gebeten die Einwohner von Onitsha unterstützen sollten. Es ist eine schöne Erfahrung, dass sich Kardinal Péter Erdő als Schirmherr und András Veres, der Vorsitzende der Ungarischen Bischofskonferenz (MKPK), unserer Sache zur Seite gestellt haben.

Oft ist es schwer, uns den Schwierigkeiten und dem Elend anderer zu stellen, denn dies liegt oft außerhalb unserer Komfortzone. Wie solidarisch sind die Menschen, inwiefern können sie sich den Problemen anderer Menschen gegenüber öffnen?

Oft denken wir, dass die Welt schlecht ist – und dieses Gefühl wird in der jetzigen Situation besonders verstärkt. Deswegen können wir mehr dazu neigen, uns zu versperren. Wir sollten dennoch nicht vergessen, dass uns Gott nach seinem eigenen Abbild geschaffen hat, und eine der wichtigsten Taten Gottes ist es, dass er immer gerne gibt. Das feiern wir auch an Weihnachten in dem Geheimnis, dass der Vater uns seinen Sohn geschenkt hat.

Der Wille zu geben, ist also tief in der Seele jedes Menschen da – dies ist das Geheimnis unserer Gottebenbildlichkeit.

Unserem Aufruf sind immer Unterstützer und Spenden gefolgt: im Frühling, im Sommer und auch jetzt. Réka und Erzbischof Okeke sagen, das ist das Wunder selbst – so auch für mich –, denn wir können ein authentisches Beispiel der Selbstlosigkeit und der Solidarität erleben. Es scheint, die Menschen sind gut, und ihre Herzen sind offen.
Nach unserem jetzigen Aufruf sind Millionen von Forint auf das Konto der Afréka-Stiftung gekommen. Die meisten Spenden liegen zwischen 1.000 und 10.000 Forint. Das bedeutet, dass diese Summe aus den zwei Münzen der armen Witwe aus der Bibel zusammengekommen ist – und das erleben wir als ein Wunder.

Die Pandemie geht mit sehr vielen Schwierigkeiten einher. Was aber können wir aus dieser Situation ins Gute umkehren?

Gergely Kovács, der Erzbischof von Karlsburg, hat in seiner Predigt dieses Jahr bei der Wallfahrt in Șumuleu Ciuc eine Geschichte erzählt: Ein alter Mann wirtschaftete auf seinem Hof mit seinem Sohn. Bei einem Sturm sind ihre Pferde erschrocken und weggelaufen. Die Nachbarn zeigten Bedauern, aber der weise Alte fragte: Woher wisst ihr, dass das schlecht ist? Nach einigen Tagen sind die Pferde mit vielen anderen zurückgekommen, weil auch einige Wildpferde mit ihnen gekommen sind. Die Menschen freuten sich, aber der Weise sagte: Woher wisst ihr, dass dies gut ist? Der Sohn des Alten wollte die Wildpferde zähmen, aber er ist vom einen Pferd gefallen und hat sich das Bein gebrochen. Die Nachbarn gaben ihrem Mitgefühl Ausdruck, aber der Alte hat wieder die Frage gestellt: Woher wisst ihr, dass dies schlecht ist? Am Ende hatte er Recht: Ein Krieg ist ausgebrochen, die jungen Männer wurden zwangsverpflichtet, aber der Sohn des alten Mannes konnte wegen seines gebrochenen Beines nicht mit. Dieses Beispiel habe ich erzählt, weil sich die Dinge oft so entwickeln, dass sich am Ende das Gute als schlecht und das Schlechte als gut enthüllt.

Mir scheint, dass das Virus (auch) sehr viel Gutes gebracht hat. Unsere menschlichen Beziehungen wurden stärker, wir nehmen mehr Rücksicht, wir helfen einander mehr.

Ich glaube daran, dass all das unsere Gottebenbildlichkeit an die Oberfläche bringt. Dem spreche ich zu, dass wir unsere Herzen nicht schließen, sondern öffnen, wenn es zu solchen Sammlungen kommt.

Was bedeutet für dich das Beispiel des Heiligen Martin?

Egal, ob wir Schlechtes oder Gutes tun: Oft denken wir nicht daran, dass wir es immer Jesus antun – was sich in der bekanntesten Geschichte im Zusammenhang mit dem Heiligen nach der Übergabe des Mantels ahnen lässt. Erlaubt mir, ein persönliches Beispiel zu geben: Einmal war ich mit Pfarrer Miklós Vigyázó bei einem Einkehr-Camp. Auf der heiligen Messe hat uns der Vater beim Vaterunser darum gebeten, uns um den Altar herum Hand in Hand aufzustellen und dann näher an das Zentrum des Altars zu treten, wo sich bis dahin die Eucharistie befand. Danach bat er uns, wieder weiter nach hinten zu treten. Was ist daran die Botschaft? Als wir der Eucharistie, also Jesus, nähergetreten sind, sind wir auch einander nähergekommen. Als wir aber weiter entfernt standen, haben wir uns sowohl von Jesus als auch voneinander ein wenig entfernt. Schöner könnte man das Wunder vom Heiligen Martin oder die Botschaft Jesu gar nicht vergegenwärtigen, und ich glaube daran, dass wir durch unsere jetzt angekündigte Aktion nicht nur Gott, sondern auch einander näherkommen.

Quelle: IEK

Photo: Marcsi Ambrus