Aufstehen, unter allen Umständen

05 Januar 2021
Ich kann mich gut an die Diskussionen mit meinen Kollegen vom Dezember letzten Jahres erinnern: wir waren aufgeregt, dass wir in Reichweite von dem historischen Augenblick gekommen waren, mit mehreren hunderttausend Menschen Jesus in Budapest zu treffen.

In unserem zweiteiligen Artikel fassen wir zusammen, woher und wohin wir in 2020 gekommen sind, und wie viele Erlebnisse, Wunder, spirituelle Bereicherung und Verstärkung aus diesen außerordentlich schweren, Menschen und Glauben zur Probe stellenden 365 Tagen entsprungen sind. 2020 haben wir als Mitarbeiter der IEK in der Hoffnung eines erfolgreichen Kongresses angegangen. Seit Jahren hatten wir daran gearbeitet, die Wurzeln unserer Heimat und der ungarischen Kirche der Welt vorzustellen. Unsere Traditionen, Geschichte, Werte und Kultur. Dass wir Ungarn die Erben des Heiligen Stephans sind in einem über 1000 Jahre alten Land. Der Gedanke, dass die Welt Jesus hier begegnet, erfüllte uns mit einer überaus großen Freude.

Wir sind mit einem riesigen Schwung ins neue Jahr gegangen, denn nach so viel Zeit ist der Kongress endlich in absehbare Nähe gerückt. Auf unserer Webseite haben wir angefangen, die Referenten des IEK vorzustellen, wie zum Beispiel den immer heiteren und jugendhaften amerikanischen Kardinal Dolan, oder den kanadischen Kardinal Lacroix, der während seines Dienstes in Kolumbien sogar 18 Stunden auf einem Maultier stuckerte, um in die entferntesten Siedlungen seiner Pfarreien zu kommen; Erzbischof Palma, der im Schatten der Drogenkriege für ein saubereres Leben gekämpft hat, Erzbischof Sako aus Bagdad, der sehr viel dafür getan hat, der Christenverfolgung im Irak ein Ende zu setzen, oder Soo-jung, Erzbischof von Seoul, der für den Frieden zwischen den beiden Koreas wirkt.

Inzwischen ging auch das Missionskreuz unermüdlich seinen Weg weiter: innerhalb von zwei Jahren hat es mehr als fünfzigtausend Kilometer hinterlegt innerhalb und außerhalb unserer Grenzen. Es ist durch das Karpatenbecken gezogen, und wo auch immer es ankam, hat es den Glauben der Menschen gestärkt, und Hoffnung gebracht – auf eine Welt, die besser zusammenhält und von Liebe mehr erfüllt ist.

Wir stellten immer neuere Episoden aus der Serie Er und ich vor, die an Weihnachten 2019 gestartet wurde. Die Figuren der jeweils fünfminütigen Kurzfilme, die 52 Menschen, Schicksäle, Geschichten vorstellen, reden ungeschminkt, mit rührender Aufrichtigkeit über ihren eigenen Glauben. Manchmal sind diese Geständnisse herzergreifend schmerzhaft, manchmal von Freude erfüllt. Zweifel und Erkenntnisse, Kämpfe und Erleuchtung wechseln sich ab, und geben einen klaren Einblick in den ewigen Kampf und Beruhigung der menschlichen Seele.

Am Anfang des Jahres haben wir uns energisch in die Überlandfahrt gestürzt, das IEK- Sekretariat ist zweimal nach Siebenbürgen gekommen: einmal in Januar, damit wir während der zehntägigen Rundfahrt gemeinsam mit Csaba Böjte die Gläubigen von Siebenbürgen zum Welttreffen von Budapest einladen können. Es war ein rührendes Erlebnis, im Kinderheim der Sankt-Franziskus-Stiftung in Déva/Diemrich zu den Kleinen über Glauben, Jesus und die Wichtigkeit des Treffens zu sprechen, den reinen Glauben der Ungarn außerhalb unserer Grenzen und ihr lebendiges Verhältnis zu Jesus zu erfahren. Auf dem Weg nach Hause widerhallte in der Seele von uns allen erneut der Satz von Bruder Csaba: „Selbst aus dem All sollte man die Lichterprozession sehen, als sie sich auf den Weg zum Heldenplatz macht. Aber dazu brauchen wir dort nicht nur zehn-zwanzigtausend Menschen, sondern mehrere hunderttausende.“
Unsere Reise hat so gut geklappt, dass wir am Anfang März wieder nach Siebenbürgen gefahren sind. Dort hat uns die Nachricht erreicht: wegen der Epidemie werden die Grenzen geschlossen, das Land – die Welt – kommt in die Quarantäne. Wir haben unsere Reise abgebrochen. Am 13. März sind wir heimgekehrt, und ab dem 15. März ist eine neue Ära in unser Leben eingebrochen. Die Ära der Einschränkungen. Die Zeit der Stille, der Einsamkeit.

In die seit Januar gestrahlten Napindító-Sendungen (Tagstarter) des Radio Maria haben wir jede Woche andere Gäste eingeladen. Glaubenszeugnisse, rührende Bekenntnisse, aufrichtige Gedanken ertönten an diesen stillen, kalten Morgen. Oft saßen wir alle mit Tränen in den Augen im Studio. Aber diese Gespräche fanden ein Ende: zur letzten Sendung kam es gerade am 15. März. Der Moderator saß im Studio alleine vor dem Mikrofon, und aus dem Ether erzählten zwei Teenager über Telefon über ihre verblüffend tiefe Beziehung zu Gott. Ihre Stimme gab vielen Hoffnung und Freude in der neuen unbekannten und beängstigenden Situation.
Unsere Serie „Gespräche aus Esztergom“ mit dem Motto „So sehen sie…Gott, die Welt, den Glauben…“ haben wir am letzten Tag von Februar gestartet, aber zum nächsten Anlass konnte es nicht mehr in Person kommen: am 18. März konnten diesen die Zuschauer und Zuhörer „nur“ dank des Katholischen Radios und des Bonum TV über Radio und Fernsehen verfolgen.

Auch das Missionskreuz ist in die Quarantäne gekommen: sein letzter Halt war in Prag, von wo es seinen Weg nicht weiter fortsetzen konnte. Das Kreuz, die Zeit, die Menschheit sind stehengeblieben. Wir mussten alles durchdenken, was wir bis dahin für selbstverständlich gehalten haben, worin wir sicher waren. Am Abend des 27. März betete der Heilige Vater alleine im strömenden Regen am Petersplatz. In seinem Segen Urbi et Orbi formulierte Papst Franziskus genau das, was die Glaubenszeugen der Serie Er und Ich: Habt keine Angst, denn Gott ist selbst in den schwersten Momenten, immer, im Leben von allen anwesend!

Nach dem ersten Schock mussten wir uns sofort zusammenreißen. Wir durften nicht Halt machen. Während die Plätze, die Straßen und die Kirchen leer wurden, und das Leben scheinbar zum Stillstand gekommen ist, mussten wir innerhalb kürzester Zeit ein neues Medium, einen neuen Kanal finden, durch den wir unsere Arbeit fortsetzen und die Menschen seelisch unterstützen konnten, dass dies alles seinen Zweck hat, und dass das Treffen so oder so, aber auf jeden Fall stattfinden wird. Da haben wir angefangen, den Online Raum sehr bewusst in unseren Dienst zu stellen.

Die Kirche bekommt oft die Kritik, dass sie nicht mit der Zeit Schritt hält, dass sie nicht in der Lage ist, in der Sprache der Jugend zu sprechen und dass sie veraltete Mittel zur Kommunikation verwendet. Eines der größten „Gaben“ der Epidemie war es gerade, dass wir versuchen mussten, so kreativ wie möglich, mit den modernsten erreichbaren Mitteln zu den Gläubigen zu sprechen, und es scheint geklappt zu haben! Die Kamera ist ein unerlässliches „Zubehör“ der leeren Kirchen geworden, denn so konnten wir am einfachsten die Gläubigen erreichen, die sich nur von zuhause aus den heiligen Messen anschließen konnten. Sie waren alleine, aber trotzdem in Gemeinschaft.

Mitte März haben die Redaktionen von Magyar Kurír und Új Ember täglich alle zu einem gemeinsamen Mittagsgebet für das Schwinden der Corona-Pandemie eingeladen. Wir haben uns der Initiative mit drei unserer Boten, András Csókay, Csaba Böjte und Róbert Szikora angeschlossen.

Da haben wir verstanden, dass sich vieles in Quarantäne sperren lässt, aber unsere Herzen und Seelen nicht. Kardinal Péter Erdő nutzte die durch den Online Raum gebotenen Möglichkeiten von Anfang and gut: An Ostern und Pfingsten sprach er schon in einer Videobotschaft zu den Gläubigen, und von da war er regelmäßig im Internet präsent, um seine Gedanken zu teilen, zu beten, oder einfach nur eine interessante, lehrreiche Geschichte zu erzählen, aus der wir Kraft schöpfen konnten.

Es haben sich aber auch Aufgaben ergeben, die sich online nicht lösen ließen. So eine war auch die Initiative von István Kuzmányi: der Chefredakteur von Új Ember hat mit unserem Sekretariat und zahlreichen Freiwilligen am Ostersonntag die Osterausgabe der Zeitschrift persönlich ausgehändigt. Der Arzt, der Anwalt, der Lehrer, der Maurer, alte Damen und Herren aus dem Altersheim, Kranke aus dem Krankenhaus haben die Új Ember bekommen, sogar ein Landwirt, der gerade im Traktor saß, als die Zeitung ankam und der gerührt nur sagte: „Gott segne Sie“. Egal welchen Beruf oder welches Alter sie hatten. Alle freuten sich in gleicher Weise.
Anderthalb Wochen später, am 23. April haben wir die Nachricht bekommen, auf die wir uns dann schon seit Tagen vorbereitet hatten: es kommt erst ein Jahr später, im September 2021 zum Kongress. Wir haben versucht, stark zu bleiben, es war jedoch nicht einfach. Wir haben den 13. September schon so nah gefühlt, und dann ist alles so weit gerückt! Aber es blieb keine Zeit zum Stehenbleiben und zum Zusammenbruch: wir haben die Arbeit fortgesetzt.

Am Anfang Juni haben wir den NEK-TV gestartet, die Nachrichtensendung des Kongresses,
damit wir auch das Land besser in die Vorbereitungsarbeit des Kongresses einbinden können.
Wir haben in Edelény gedreht, wo die Schüler einer der Schulen in ihrer Freude über das
Ende des Lockdowns einen Ölbaum gepflanzt haben, wir haben in Sátoraljaújhely Brot
gebacken, den Wein des IEK in Mád gekostet, waren an der Pauliner 70 Pilgerfahrt, haben
uns über die Ärztemission in Afrika unterhalten, uns mit der Geschichte des Kongresses 1938
bekannt gemacht, wir haben viele Priester und Ordensmitglieder getroffen und zahlreiche
Kulissengeheimnisse von der Vorbereitung auf den IEK veröffentlicht.
So kam der September und mit ihm das Online-Vortreffen, über das wir im zweiten Teil
unseres Artikels schreiben werden.

Pressechefin Tünde Zsuffa


Foto: Marcsi Ambrus